Litauen

Litauen 2008

"Ich kann jeden Tag mein Leben ändern!"

Heute ist ein guter Tag!

Am 23. Mai erreichern wir die Grenze zu Litauen, Zeitdifferenz zu Österreich 1 Stunde. Wir brauchen die Uhr nicht umzustellen, da wir ja keine mehr besitzen.

In den allg. Informationen vom ARBÖ steht: "Reisende sollten sich der erhöhten Diebstahlsgefahr bewusst sein. Übernachtungen im Fahrzeug an unbewachten Standorten sind zu vermeiden, bewachte Parkplätze aufsuchen, nichts im Auto zurücklassen!"  Na, dann lassen wir uns mal überraschen.

Die Grenzhäuschen sind wie immer an EU-Innengrenzen gespenstisch leer.

Die Landschaft im Süden Litauens erinnert an die Kindheit vor 40 Jahren im Mühlviertel. Es gibt noch saftige Wiesen mit vielen Blumen, die Felder sind klein, werden teilweise noch mit Pferden bestellt, Intensivlandwirtschaft ist ein Fremdwort, den Kunstdünger kann sich niemand leisten und jeder Bauernhof hat seinen eigenen Gemüse- und Obstgarten. Die Kühe sind einzeln auf der Weide angebunden, die Pferde laufen frei, vorne mit Fußfesseln, wie wir sie aus Lybien an Kamelen kennen.

Nur die Häuser waren im Mühlviertel vor 40 Jahren nicht so verfallen und alles war gepflegter. Hier ist die Zeit anscheinend stehengeblieben, es gibt noch ca. 200 litauische Dörfer ohne Stromanschluß, aber:

80% der Elektrizität werden durch das Kernkraftwerk Ignalina, gleicher Bautyp wie Tschernobil, erzeugt. 

Da wir in Polen bereits viel Kultur erlebten, verzichten wir auf den Besuch von Vilnius und fahren 300 km auf Nebenstraßen in nördl. Richtung, davon 100 km Schotterstraßen.

Nach 8 Stunden Fahrt erreichen wir den

"Berg der Kreuze" in der Nähe von Siauliai, einen Hügel mit tausenden von Kreuzen. Ein stiller, bewegender Ort des national-religiösen Protest der Litauer, mitten in unbewohnter Umgebung.

Keiner kann zählen, wie viele Kreuze, Heiligenfiguren und Bittschriften hier eingesteckt sind. Während der Sowjetherrschaft war das Errichten von Kruzifixen verboten, 1961 wurden alle mit Bulldozern abgerissen, in der Folge von Christen aber immer wieder errichtet.

Der Spaziergang durch den Wald der Kreuze ist faszinierend und etwas unheimlich zugleich.

Papst Paul II besuchte den Hügel der Kreuze.

Wir haben in Polen einen Haselnußstock ausgeborgt und daraus ein Kreuz gefertigt.

Am 24. Mai um 7h morgens, nach der Übernachtung am Parkplatz mit Ausblick vom Schlafzimmer auf die Kreuze und völlig allein, stellen wir unser Kreuz zu den Kollegen und starten nach dem Frühstück Richtung Ostsee.

Ampeln, Zebrastreifen, Bushaltestellen, Linksabbiegespuren, Radfahrer und Ausfahrten auf Feldwege.

Nach diesem Erlebnis zweigen wir wieder auf einsame Landstraßen ab und erreichen nach einer Stunde Fahrt bei Varniai den See Lukstas.

Am Sonntag werden wir vom Fischerclub den ganzen Tag mit Krautsuppe, Fischsuppe, geräucherter Forelle, Bratkartoffeln, Knoblauchbrot, Schaschlik und reichlich Vodka bewirtet. 

Montags machen wir Zwangspause, um den Vodka aus dem Blut abzubauen. Wir verbringen den Tag mit dem Parkeigentümer und Saulius. Wieder werden wir zu Suppe, Schaschlik und Bratkartoffeln eingeladen.

In diesem Park findet im Juli das größte Bluesfestival Mitteleuropas statt (www.bliuzonaktys.lt) , vergleichbar mit Woodstock.

Als sich dann am Dienstag der Vodka wieder verflüchtigt hat, setzen wir unsere Fahrt fort. Wir wollen für unseren Aufenthalt bezahlen, doch der Platzbesitzer sagt "Little present" und Saulius gibt uns Marmelade, Essiggurken, Rote Rüben, Mayonaise und Kräuter mit auf die Reise. So erlebt man Litauen, wenn man abseits der Touristenpfade unterwegs ist.

Nach 2 Stunden Fahrt erreichen wir Klaipeda, Ausgangspunkt für Reisen auf die Kurische Nehrung, 3.größte Stadt des Landes.

Die Hafenstadt Klaipeda, besser bekannt unter dem Namen Memel, bis zum Zweiten Weltkrieg mehrheitlich von Deutschen bewohnt, besitzt Reste einer Fachwerkaltstadt.

Wir benutzen den Internetanschluß der Touristeninformation, um unsere Hompage hochzuladen und zu schauen, was es so an Mails gibt. Danach bummeln wir durch die Altstadt.

Theaterplatz, das Herz von Klaipeda

Das Dreimast-Segelschiff "Meridianas", erbaut 1948, beherbergt heute ein Restaurant

Schließlich suchen wir uns einen Stellplatz vor dem Fährhafen, 10 m neben dem Verschubbahnhof. Geschlafen haben wir nicht allzuviel, aber die 1. Fähre startete zum Glück bereits um 5 Uhr morgens.

Unser "Jimmy" wird zum ersten mal in seinem Leben verschifft, zwar nur 500 Meter, aber jeder fängt mal klein an. 

Die Kurische Nehrung ist ein 98 km langer Landstreifen, von dem 52 km zu Litauen und 46 km zu Rußland gehören. Sie trennt das Kurische Haff von der Ostsee und besteht ausschlíeßlich aus Sand mit riesigen Wanderdünen. Die breiteste Stelle beträgt 3,8 Kilometer, die schmälste 380 Meter, verfahren kann man sich auf dem schmalen Streifen also kaum. Die Landschaft ist einmalig: Die größte Sanddüne von Europa, schöne (windige, kalte) Strände und Nadelwälder sind hier zu finden. Die UNESCO hat die Kurische Nehrung zum Weltkulturerbe erklärt.

Vor Jahren hat hier ein Waldbrand 240 ha Kiefernwälder vernichtet.

Wir fahren um 6h morgens in südliche Richtung. Plötzlich läuft vor uns eine Wildschweinrotte mit Frischlingen über die Straße.

Wie sich herausstellte, ist das die "Parkplatzwildsau". Sie weiß, daß hier im Nationalpark jagdverbot ist und bettelt bei den Besuchern um Brot. Ist doch einfacher, als selbst zu suchen!

An der Grenze zu Kaliningrad steht Nida, ein kleiner Fischerort mit bunten Holzhäusern. Hier stellen wir unser Fahrzeug auf den Campingplatz und erkunden die Umgebung zu Fuß.

Die goldene Düne von Nida, 52 m hoch, direkt an der Grenze zu Kaliningrad.

Alte Gehöfte in Nida.

Im Thomas-Mann-Haus, heute Museum, verbrachte der Schriftsteller viele Sommer.

Die Kirche von Nida.

Friedhof mit Kurenkreuzen.

Der 30 m hohe Leuchtturm auf dem Urbas-Berg mit seinen 51 m Seehöhe

Hier plagen uns Milliarden von Mücken, es gibt diese anscheinend nur 2 Wochen im Jahr und jedes Tier lebt nur einen Tag.

Eine Wanderung entlang der hölzernen Skulpturen auf dem Hexenberg

Ein altes Segelschiff bei Uostadvaris, heute als Bar genutzt

Diese Graureiher- und Kormorankolonie beherbergt etwa 6500 Vögel

Tags darauf geht es wieder nördlich Richtung Fähre in Kleipeda und entlang der litauischen Ostsee Richtung Lettland.

Wir benutzen auf der Autobahn die Linksabbiegespur und machen Halt im Kur- und Badeort Palanga, 20 Kilometer vor der lettischen Grenze. Der Ort macht für litauische Verhältnisse einen sehr gepflegten Eindruck und könnte auch an der Ostseeküste von Deutschland liegen.

Das Bernsteinmuseum von Palanga im Botanischen-Park. Hier werden 4500 Exponate, viele mit eingeschlossenen Insekten und Pflanzenteilen ausgestellt. Wer weiß übrigens, was Bernstein ist: Bernstein entstand aus dem Harz kiefernartiger Bernsteinbäume, die vor 50 Mill. Jahren wuchsen und eine Überproduktion von Harz hatten.

Das schwerste Bernsteinstück wiegt 3,5 kg.

Der Birute-Berg ist die höchste Düne von Palanga, hier befindet sich Lourdes und eine Kapelle. 

Es ist schönes Wetter und uns fällt auf, daß die Tage hier schon wesentlich länger als in Österreich sind, um 21 Uhr scheint noch die Sonne und um 23 Uhr ist es noch hell. 

Genächtigt wird am Parkplatz des Fußballplatzes und bei der Stadtbesichtigung geben wir unsere letzten Litas aus.

Das Leben ist etwas billiger als in Österreich, Diesel kostet allerdings auch € 1,239/Liter

Asphaltiert sind nur die Hauptdurchzugsstraßen, Nebenstraßen sind Schotterpiste.

Zwischen Stadtleben und Landleben ist hier ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Am Land ist die Zeit vor 50 Jahren stehengeblieben, man holt das Wasser teilweise noch mit dem Eimer aus dem Hausbrunnen und jeder hat sein Plumsklo.

Wir lernten nette Leute kennen und hatten nie das Gefühl der Unsicherheit, obwohl wir alleine auf unbewachten Plätzen und in Wäldern übernachteten.

Die ARBÖ-Warnung können wir nicht bestätigen.

So erlebten wir Litauen!