Ein Bogen und 3 Pfeile sind schnell aufgetrieben, der verlangt dafür eine Rolle Angelschnur, Angelhaken und Kautabak. Ein Köcher mit Reservepfeilspitzen ist auch schnell aufgebrieben, der will dafür Kautabak.

Dann wird´s eng, Indianerschmuck gibt´s hier nicht, ein paar Ohrringe oder eine Halskette gibt´s hier nicht, die Indianer haben nur Gebrauchsgegenstände in ihrem bescheidenen Haushalt. Das wenige das es hier gibt ist aus Glasperlen, Glasperlen haben wir aber als Tauschware mitgebracht, unsere Glasperlen finden nicht wirklich reißenden Absatz, eine Fehlberatung von Axel. Wir tauschen Kautabak gegen Schmuck aud Vogelfedern, Einfuhr in Europa verboten, wir tauschen Glasperlen gegen einen Lendenschurz.

Ein Mädchen hat sich extra für uns umgezogen und bemalt, die Formen der Bemahlung sind der Natur entlehnt, so symbolisiert ein Kreis den Jaguar, Wellen stehen für das Wasser. Die rote Farbe ist aber nicht nur Schmuck, sondern auch Schutz gegen Insekten, die rote Farbe stammt von der Frucht einer Kastanienart die hier Onoto heißt und deren Kerne mit Speichel angerührt werden, wir geben Glasperlen und Angelschnüre für ein Foto.

Ein Jäger kommt des Weges, Angelhaken für dieses Foto.

Die Menschen die leben hier in ihren Hütten, in jeder Hütte brennt ein Feuer, in jeder Hütte ist ein Kochtopf, in jeder Hütte sind Hängematten, wir geben dieser Familie Kautabak, Angelhaken und Glasperlen für ein Familienfoto,

den Rest an Tauschware verschenken wir am Ufer an ein junges heiratsfähiges Mädchen.

Irgendwie fühlen wir uns hier nicht so richtig wohl, ein Kulturschock, man weiß nicht wie man sich verhalten soll, man kann sich mit denen nicht unterhalten, man ist irgendwie ein Eindringling in eine fremde Kultur, man ist in einer fremden Welt. Wir ziehen uns langsam aus dem Dorf zurück, dessen Bewohner uns doch so fremd sind.

Bei den Yanomami verabschiedet man sich nicht, man trennt sich schnell, denn Abschied ist etwas Negatives. Wir besteigen unser Bongo, wir binden es los und treiben langsam und lautlos weg vom Dorf. Am Ufer stehen einige Frauen und Kinder, sie winken uns zu.

Das Abenteuer Yanomami 500km entfernt von Puerto Ayacucho, 420km entfernt von der nächsten Straße, der Besuch in einer anderen Welt, der Besuch bei Menschen deren Kultur immer mehr zerstört wird, täglich stirbt hier ein Stück Steinzeit, dieser Besuch ist zu Ende.

Wir fahren wenige Kilometer flußaufwärts Richtung Tamatama, wir fahren nun zu unserem offiziell genehmigten Ziel, wir fahren hoch zum Ursprung des Casiquiare.

Hier an dieser Stelle hat der Orinoko seit seiner Quelle an der Grenze zu Brasilien bereits 700km hinter sich, diese Gegend ist das Siedlungsgebiet des indigenen Yanomami-Volkes, das wir gerade besucht haben.

Hier an dieser Stelle in der breiten Talebene bei Tamatama fließt der Orinoko genau an einer Wasserscheide. Und durch diese Wasserscheide teilt er sich plötzlich, aus einem Fluß werden zwei Flüsse.

Hier an dieser Stelle ist die größte und bedeutendste Flußbifurkation der Welt, ihre Existenz ist bis etwa 1800 für unmöglich gehalten worden, und ihre Entstehung ist auch heute nur teilweise nachvollziehbar.

Der Casiquiare ist der einzige Fluß der Welt der nicht aus einer Quelle entspringt, der Casiquiare ist an seiner Quelle so groß wie der größte Fluß Österreichs, er ist an seiner Quelle fast so groß wie die Donau. 

Hier an dieser Stelle teilt sich der Orinoko in 2 Flüsse, aus einem Fluß werde 2 Flüsse.

Der Rio Orinoko teilt sich, ein Viertel des Wassers fließt hier weg und wird zum Casiquiare,

der Casiquiare fließt in den Rio Guainaia, der bei San Carlos zum Rio Negro wird und dann in Brasilien in den Amazonas, den längsten Fluß der Welt mündet, einzigartig auf der Welt.

Drei Viertel des Wassers bleibt im Hauptstrom des Orinoko, der in Venezuela im Orinokodelta in den Atlantik mündet.

Der Casiquiare, ein natürlicher Kanal, verbindet die beiden unabhängigen Flußsysteme des Orinoko und des Amazonas miteinander. Diese Passage erlaubt es Schiffe mit niedrigem Tiefgang vom Orinoko in das Flußsystem des Amazonas zu wechseln, in 8 Monaten wird Axel 2 Kajakfahrer aus Deutschland auf dieser einzigartigen Strecke begleiten.

Mittwoch, 11. Mai 2011, wir sind am Ursprung des Casiquiare, das GPS sagt wir sind auf 112 m Seehöhe, von hier werden wir den Orinoko 1300 km begleiten, 430 km mit dem Bongo bis Samariapo, 70 km mit unserem Materialtransporter bis Puerto Ayacucho, 800 km mit dem Jimmy bis Ciudad Guyana.

Durch Erosionen könnte es sein, das plötzlich der gesamte Orinoko in den Casiquiare fließt oder das ganze Wasser im Orinoko bleibt und nicht mehr in den Casiquiare fließt, in tausend Jahren oder mehr oder weniger könnte hier alles anders sein. Eines ist fix, in tausend Jahren kann man die Yanomami hier nicht mehr besuchen, dann werden sie in Puerto Ayacucho leben oder hier wird es eine Stadt geben, eingentlich sind die Yanomami und alle anderen hier seit 50 Jahren ein Volk deren Kultur hauptsächlich durch Missionare und andere Eindringlinge, zwei davon sind wir, ausgelöscht wird.

Aber so war es immer schon, früher langsamer, heute immer schneller, die Welt verändert sich. Mein Großvater hat die Felder noch mit zwei Ochsen bestellt, mein Vater hatte statt zwei Ochsen zwei Pferde, mein Bruder der diese Landwirtschaft nun betreibt hat zwei Traktoren.

Flußabwärts geht´s schneller, wir fahren mit dem Strom, flußabwärts machen wir es uns gemütlicher, wir sind gut im Zeitplan, wir lassen uns stundenlang treiben um die Ausrüstung zu trockenen.

Flußabwärts immer Flußabwärts, im Gedanken bei den Yanomami und dem Ursprung des Casiquiare, im Ohr den ständigen Lärm unseres 40 PS Außenboders.

Der Orinoko ist seit unserer Flußaufwärtsfahrt um mehr als 3 m gestiegen, er ist vorgedrungen in den Dschungel, er hat viele Kilometer Flußufer in eine Sumpflandschaft verwandelt, wo vor einer Woche noch Erdreich war ist jetzt Wasser, wo vor einer Woche noch Wildschweine gegrast und Jaguare gejagt haben schwimmen jetzt Fische, wo vor einer Woche noch Büsche waren schauen jetzt nur noch die Spitzen aus dem Wasser. 

Eigentlich müßten wir in der Trockenzeit die selbe Reise nochmals unternehmen, in der Trockenzeit gibt´s hier an den Ufern kilometerlange Sandstrände, viele große Steine im Fluß, viele Inseln die jetzt unter Wasser sind, aber in der Trockenzeit, ja, das wäre zu einfach und zu trocken im Regenwald.

Wir sitzen stundenlang am Bug oder Dach des Bongo, der überschwemmte Dschungel gleitet an uns vorbei.

Bei den Menschen hier wird einem erst richtig bewußt, wie hochtechnisiert wir heute sind, wie weit weg vom Leben ohne technische Hilfsmittel. Ohne den ganzen Kram ausgesetzt in der Wildnis ist es mit uns hochtechnisierten Menschen in wenigen Tagen vorbei, all die Sinne für Orientierung, all die Kenntnisse über eßbares und nicht eßbares, all die Kenntnisse über Jagd, Fischerei, Anbau von Obst, Früchten und Gemüse, all die Kenntnisse der Herstellung von Gebrauchsgegenständen aus den alltäglichen Dingen der Natur und mit wenigen technischen Hilfsmitteln gehen in unserer hochtechnisierten Welt unwiederbringlich verloren.

Wer kann heute noch einen Korb flechten, wer kann heute noch einen Besen binden, wer kann heute noch Gemüse pflanzen, wer kann heute noch Tiere schlachten, wer kann heute noch ohne Backautomaten Brot backen, wer kann heute noch Tierfelle gerben, wer kann heute noch Leder herstellen, wer kann heute noch Lebensmittel haltbar machen, wer kann heute noch Fleisch räuchern oder Käse erzeugen, wenige. Ohne Strom, Auto, Supermarkt und Baumarkt, ohne Handy und Internet sind wir heute kaum noch lebensfähig und täglich weniger.

Und all das Wissen geht auch mehr und mehr bei den Menschen hier verloren, die werden überrollt von der hochtechnisierten Welt, die werden überrollt von uns und eines Tages unzufriedener und unglücklicher leben als heute, und eines Tages nur mehr dem Geld hinterherhetzen bis sie umfallen, ohne wirklich gelebt zu haben, so wie wir in Europa.

Wir nächtigen an einer idyllischen Stelle an einem großen Stein,

wir baden,

ich versuche mein Angelglück.

Flako, unser zivilisierter Indianer erzählt, während wir auf Jagd waren haben die Yanomami einen Wels mit 1,2 m und 80 kg gefangen, mir blieb das Anglerglück verwehrt, aber man kann ja nicht alles haben im Leben. Unseren zivilisierten Indianer, Flako, der ist zuvorkommend, der sitzt den ganzen Tag am Gasgriff des Außenborders, der ist Küchengehilfe, der schuftet am meisten von allen, der hatte einen Arbeitstag von 15h, der ist der freundlichste und zuvorkommendste Indianer den wir kennen.