Von Altamira nach Porto Velho 

"Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fisch gefangen, der letzte Fluß vergiftet, werdet Ihr feststellen, daß man Geld nicht essen kann!"

(Dieser Spruch steht nun schon das zweite Mal am Beginn unseres Berichtes, aus gegebenem Anlaß.)

Nach unserer Verschiffung von Macapa am Amazonas über den Rio Xingu nach Vitoria do Xingu und 48 Kilometer Asphalt sind wir da, Brasilien, Bundesstaat Para, Altamira, BR230.

 

Altamira, wir sind da, wir stoßen hier auf die BR230, wir stoßen hier auf die Transamazonica, Altamira in Brasilien, das liegt in Südamerika genau hier.

Das Abenteuer „Verschiffung am Amazonas“ ist zu Ende,

das Abenteuer „Befahren der Transamazonica“ beginnt.

Es gibt einige Straße in Südamerika die man fahren muß. Die Pan-Amerikana am Pazifik, die Ruta 40 in Argentinien, die Carretera Austral in Chile, die Straße des Todes in Bolivien, die Entenschlucht in Peru, die Transpantaneira und die Transamazonica in Brasilien.

 

Über die Befahrbarkeit all dieser Straßen findet man irgendwo Informationen, nur über die Transamazonica nicht. Wir suchen einige Jahre, wir finden nicht viel. Die Infos die man bekommt sind vage und widersprüchlich, von "alles geteert" über "unpassierbar" bis "gibt's nicht mehr". Was ist mit den vielen Brücken? Keine Infos, nur Kopfschütteln, die Brücken sind es aber, die letztendlich über das Gelingen oder Nichtgelingen entscheiden.

 

Die Transamazonica hat für uns einen Mythos, den Mythos der Bezwingung des undurchdringlichen Dschungels. Beim Befahren der Transamazonica geht es um endlose Piste, Staub, morsche Brücken, hält die Technik, halten die Nerven, gibt es eine Schlammschlacht, über 2000 km mit fragwürdigem Ausgang liegen vor uns.

 

Die Strecke gilt nicht nur als große Herausforderung, extrem hart und im Falle von Regen als unmöglich, sie zählt wahrscheinlich zum Härtesten was man als Offroad-Fahrer bewältigen kann, wenn es regnet versinkst du im Schlamm, wenn es trocken ist erstickst du im Staub, so steht es irgendwo geschrieben.

 

Ein Radfahrer aus Deutschland ist 1999 hier durch, hardcore, der hatte laufend Regen.

Silvia und Lothar aus Deutschland sind 2007 mit einem Wohnmobil hier durch, die hatten Glück, mittelmäßige Brücken, kein Regen, viel Staub.

Der Joe Pichler aus Salzbug ist mit seiner KTM Adventure 2008 hier durch, der Joe bereist die hintersten Winkel der Welt und hält tolle Vorträge darüber „Auf 2 Rädern durch die grüne Hölle“, Danke Joe für deine Infos!

 

Mehr finden wir nicht, das ist und blieb der letzte Stand unserer Recherchen, wir werden es probieren, alleine.

 

Ja, was haben wir so alles mit zur Selbstbergung:  Eine Seilwinde mit 90m Seil und 5 Tonnen Zugkraft, 1 Stahlkette, Schäkel, 30m Bergegurte, 1 Umlenkrolle, 1 Hi-Jack, 2 Wagenheber, 4 Schneeketten, 4 Wüstensandbleche, Schaufel, Krampen, Beil, Machete, 2 Reservereifen, 3 Reserveschläuche, als Vorräte 460 l Diesel, 250 l Trinkwasser, Lebensmittel für 3 Wochen.

 

Wir sind nun hier im Amazonasbecken, dem größten zusammenhängenden Laubwald der Erde, es umfaßt ungefähr 6,5 Millionen km2, zugehörig zu Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, Guyana, Surinam, Französisch Guyana und Brasilien, es ist ca. 77 mal so groß wie Österreich. Allein der brasilianische Anteil mißt über 4 Millionen km2, gut zwei Drittel des südamerikanischen und ein Drittel des weltweiten Regenwaldgebietes.

Nur zwei "Straßen" durchqueren dieses riesige Gebiet. Eine verläuft von Nord nach Süd, von Boa Vista an der venezulanischen Grenze, über Manaus und Porto Velho nach Cuiaba, dem Eingangstor zum Pantanal.

Die andere, die Transamazonica, verläuft von Ost nach West, vom Atlantik bis an die Grenze Brasiliens zu Peru und Bolivien.

Die Transamazonica, die Straße mit der schlichten Bezeichnung BR 230, ist eine Erfindung der Generäle, die Brasilien in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts regierten. Die Legende meint, der damalige Staatspräsident, General Emilio Garrastazu Medici, sei eines Tages über den Nordosten des Landes geflogen und habe braune ausgezehrte Felder entdeckt und so die Auffassung gewonnen, man sollte die Armen, die hier lebten, in den Regenwald schicken. Der Präsident erhob seine Idee zum Programm der nationalen Integration: „Land ohne Menschen für Menschen ohne Land“

 

Die Regierung lockte Menschen ohne Land in ein Land ohne Menschen, das Geschenk dafür war eine Lote, eine Parzelle, fünfhundert Meter breit und zwei Kilometer tief, also hundert Hektar.

 

1973 begann der Bau der legendären und umstrittenen Transamazonica, eine Straße vom Atlantik bis zum Pazifik, quer durch den südamerikanischen Kontinent und durch den Regenwald Brasiliens.

Mit enormem Aufwand wurde eine Piste, 3000 km lang, 100 m breit, durch den Urwald geschlagen, zahlreiche Gebiete wurden brandgerodet um wirtschaftlich nutzbaren Boden zu gewinnen. Eine Armee von 11000 Arbeitern, aufgestockt durch Militäreinheiten auf 16000 Mann, schaffte mit einer Armada von Hunderten von Bulldozern in 3 Jahren die Fertigstellung.

Die Verantwortlichen begannen entlang der Strasse einen etwa 200 km breiten Streifen vom Regenwald zu befreien, um Siedlern Ackerland zur Verfügung zu stellen. Alle fünf Kilometer, nach Süden und nach Norden, schlugen sie, rechtwinklig zur Transamazonica, eine Seitenstraße in den Wald, zwanzig, dreißig, fünfzig, hundert Kilometer tief. Weltbank, lateinamerikanische Entwicklungsbank und zahlreiche private Kreditgeber beteiligten sich am Projekt der „Nationalen Integration“. Zum Schluß waren viele der Arbeiter aufgrund von Tropenkrankheiten nicht mehr am Leben und der brasilianische Staat um umgerechnet 12 Milliarden Euro ärmer.

 

In den ersten Jahren galt diese Monsterstraße als Sieg der Menschheit über die Natur, die man auch "Grüne Hölle" nannte. 

Der Obrigkeit ging es aber auch darum, Amazonien zu besiedeln, gleich wie, denn immer wieder holte sie die Furcht ein, das größte Flußsystem der Erde, ein drittel des weltweiten Urwalds, bewohnt nur von indianischen Völkern, könnte Brasilien irgendwann und irgendwie abhanden kommen.

 

Zahlreiche Indianerstämme entlang der Trasse wurden ausgerottet oder starben an eingeschleppten Krankheiten, der Regenwald, die Lebensgrundlage der Indianer, wurde auf tausenden von Kilometern zerstört. Von den einst 5 Millionen Ureinwohnern haben am Amazonas nur 250 000 überlebt, von ca. 1400 verschiedenen Stämmen blieben nur 200 übrig. Jedoch ist dieser Völkermord nicht nur der Transamazonica zuzuschreiben, als die ersten Europäer das Land betraten, begann der Untergang der indigenen Bevölkerung.

 

In Schiffen und Flugzeugen brachten die Generäle ihr Volk nach Amazonien, Schwarze aus dem Nordosten, aus den Bundesstaaten Bahia,

Rio Grande do Norte, Ceara, Maranhao, Pernambuco, Sergipe, später Helle aus dem Süden, Parana, Santa Catarina, Rio Grande do Sul. Sie versprachen Land und Haus, Kettensägen und Geld. Sie hielten wenig, zwangen die Siedler, bevor sie in den Regenwald durften, in Lager. Wenig überließen die Militärs dem Zufall. Alle fünf Kilometer sollte an der Transamazonica ein Dorf entstehen, in dem die Siedler lebten, eine Agrovila, alle fünfzig Kilometer eine Stadt, Agropolis.

 

Doch die Menschen, die sie riefen, hielten sich nicht an die Vorstellung der Mächtigen, wollten wohnen, wo sie arbeiteten, bauten ihre Hütten auf dem neuen Land, im Regenwald, den sie abbrannten, über das erlaubte Maß hinaus. Niemand nahm Anstoß, keiner schritt ein.

 

Genug Theorie, ab in die Praxis, ein Blick auf das Satellitenbild, das Wetter paßt,

das Geheimnis der Transamazonica das lüften wir:

 

Sonntag, 21. August 2011, Südamerika, Brasilien, Bundesstaat Para, Altamira, Tankstelle.

Wir erzählen unser Vorhaben, der Tankwart schüttelt den Kopf, er heißt uns willkommen, so verrückte waren noch nie da.

In Altamira steht ein Denkmal, eingearbeitet in den Stamm eines Paranußbaumes mit zwei Metern Durchmesser, mit der Inschrift: „An den Ufern des Xingu, mitten im Urwald, legte der Präsident der Republik den Grundstein für die Transamazonica, der historische Beginn der Eroberung dieser gigantischen grünen Welt".

 

Auf Richtung westen, go west, auf  Richtung Brasil Novo, 40 Kilometer Asphalt, dann ist es aus damit. Die ersten Kilometer Transamazonica, das erste technische Problem, der Tacho funktioniert nicht mehr, ich kann das Problem beheben. GPS und Laptop laufen sowieso schon seit 3 Wochen durch, Verbindungsprobleme, wenn´s mal läuft dann läuft es aber, das Problem werden wir noch länger mitschleppen. Verfahren kann man sich hier sowieso nicht, auf den nächsten 2000 km gibt es nur zwei Abzweigungen, eine nach Norden und eine nach Süden.

 

Westwärts immer westwärts, Brasil Novo, ein kleines Nest, weiter Richtung Medicilandia, vom Asphaltende bis Medicilandia 51 km Baustelle, frisch verteilter Lehm.

Vorbereitungsarbeiten für die Asphaltierung.

Von Altamira bis Medicilandia sind es 91 km, in 2 Jahren ist die Strecke durchgehend asphaltiert. Weit und breit kein Dschungel, alles gerodet für Farmland.

Der Bundesstaat Para, 1,25 Millionen Quadratkilometer, ist dreieinhalb Mal so groß wie Deutschland. Nur siebzig Menschen sind angestellt, darüber zu wachen, daß niemand mehr Holz schlägt, als das Gesetz es erlaubt, keiner hält sich daran.

Seit 1990 hat sich im Bundesstaat Para die Zahl der Rinder vervierfacht, heute sind es geschätzt zwanzig Millionen.

aus.

So sehen die ersten 100km auf der Transamazonica in

Medicilandia, Stadtrand,

ein Hotel, ein Maultier, ein Plakat, am Mittwoch beginnt ein Fest, das Kakaofest, eine Art Erntedankfest mit Show, Rodeo und Unterhaltung.

Ein Motorrad bleibt stehen, der Fahrer hat eine Flasche Bier in der Hand obwohl er mit dem Motorrad fährt, wir unterhalten uns, der Mann sagt er ist Polizist, er heißt uns willkommen. Auf zur Tankstelle, kein Stellplatz, voll mit LKW.

Gegenüber ist ein Garten, da stehen ein Autobus und ein LKW, wir fahren da rein, wir fragen ob wir da übernachten dürfen, kein Problem.

Heute ist Sonntag, nachmittag, ein Motorrad fährt durch Medicilandia, macht Staub und Lärm, am Gepäckträger ein Lautsprecher: „Kommt, ihr Mühseligen und Beladenen, kommt, die ihr Hilfe braucht und kein Geld habt, lasset euch segnen in der Kirche der Adventisten zum siebten Tag!“